November 1999

Holger Bunk
bunk@xs4all.nl
www.artbunk.de

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Etaneno - ein schöner Ort, Kultur, Künstlerinnen und Künstler

Dass Etaneno ein sehr schöner Ort ist, kann ich berichten, dass ich mit Anderen dort Dinge erlebt habe, die künstlerisch weiterbrachten ist für mich ohne Zweifel.

Und doch: Mir fällt es nicht leicht, von dem zu berichten was ich dort erlebt habe, weil ich Skrupel habe, über Namibia so zu sprechen, wie wenn ich einen Ausflug ins warme Spanien gemacht hätte.

Vielleicht wird unser Verhältnis zu Afrika anders, wenn erst das Glasfaserkabel von Lissabon an der afrikanischen Westküste entlang gelegt ist und wie geplant Walvisbay an die schnellere Datenverbindung angeschlossen ist.

Aber noch ist Namibia ein Land, in dem ich die Informationsgesellschaft, die Dichte der zivilisatorischen Eingriffe, die Europa prägen schlichtweg nicht vorfand. Nicht übermässig vorbereitet, wollte ich mich gleich am Flughafen über die Aktualitäten des Landes informieren und fand neben der national verbreiteten "Ältesten Tageszeitung Namibias" in Deutscher Sprache ein Blatt in Englisch und eins in Afrikaans. Allesamt, aber besonders das deutsche Blatt, setzten sie mich in Erstaunen durch ihre Betulichkeit und Ähnlichkeit mit kleinstädtischen Vereinsnachrichten.

In der Schweiz, in Deutschland oder in Holland, wo ich lebe, gibt es geschichtlich entwickelte Traditionen, wie die verschiedenen Landsmannschaften und Kulturen miteinander reden und infolgedessen zusammen leben können.

In Namibia dagegen kann man sich kaum vorstellen, wie es nach der Geschichte von Kolonialismus und Apartheid in dem jetzt freien Land weitergehen kann, da die verschiedenen Gruppen der Schwarzen auch verschiedene Sprachen haben und wegen Armut keinen Zugang zu Nachrichten und Medien (denn Radios und Strom kosten Geld).

Zeitungen in afrikanischen Dialekten habe ich nicht gesehen und die Sprachgruppen von Weissen leben oft in ihren Sprachinseln (schauen ARD und ZDF oder die englischsprachigen Sender) statt miteinander über Afrika zu reden. Es gilt bei den armen Einwohnern als Errungenschaft, dass die Schulpflicht abgeschafft wurde, denn das Schulgeld und die langen Wege zur Schule waren teuer. Die Reichen gehen also alleine zur Schule.

Ich wurde von einer engagierten weissen Farmerin angesprochen, ob ich Geld für die "deutsche Schule" ihrer Gemeinde geben könnte, "um ihre Kinder für die Welt fit zu machen". Sie verkannte die Tatsache, dass es mir leichter gefallen wäre, hätte sie mir erzählt, die Schule bemühe sich auch um Stipendien für die ärmeren schwarzen Kinder, um sie "fit für´s Zusammenleben zu machen".

Aber ich spreche lieber von mir: In der Abteilung "Visual Arts" der University of Namibia schämte ich mich für meine dumme Frage, ob die Studierenden denn auch gelegentlich zu Ausstellungen nach Südafrika rüber fahren würden. Denn dort entwickelt sich nach meiner Kenntnis die "Kunstszene" lebendig und international.

Selbstverständlich kann bei der Armut und der Entfernung von 2 Tagesreisen keine Rede davon sein. Es sind diese Haltungen von Europäern wie mir, die es den Afrikanern schwer machen, Eigenheiten zu bewahren oder zu entwickeln. Sie müssen sich ständig mit uns vergleichen, denn wir machen die Normen.

Aber wieso dann wie Alfonso Hüppi Künstler nach Namibia mitnehmen? Wie kann man ein Projekt wie das "Museum im Busch" überhaupt betreiben ohne auf der falschen Seite zu sitzen? Bringt man auf typisch europäische Art Probleme mit, statt sie zu lösen?

Alfonso Hüppi hat immer auf die individuelle Verantwortung des Künstlers gesetzt. In diesem besten Falle sind Künstler Individuen mit Gespür für komplexe Situationen. Die Fähigkeit, kulturelle Leistungen zu sehen und zu achten, seien sie noch so fremd, diffamiert oder beschädigt,gehört zu dem, was Hüppi seinen Schülerinnen und Schülern vermittelt, worauf er auch in seiner Auswahl der Künstlerinnen und Künstler für Etaneno zählt.

Das künstlerische Instrumentarium, das für die Qualitäten der eigenen Arbeit unerlässlich ist, wird in Namibia zum Ausgleich für fehlende Phantasie im Umgang mit der anderen Kultur.

Menschen, denen ihre Kultur genommen wurde (wie beschrieben im Buch "The lost world of the Kalahari" von Laurens van der Post) oder die bis heute vom europäischen Denken und Wissenschaftsbetrieb nur vereinnahmt werden (wie Hans-Peter Duerr in seinen Büchern "Nacktheit und Scham, der Mythos vom Zivilisationsprozess" und "Sedna oder die Liebe zum Leben" gezeigt hat) Solche Menschen also sind auf diesen künstlerischen Respekt vor der Kultur angewiesen.

Auch wir Europäer sind doch Opfer des selbstbezogenen Denkens. Demgegenüber können im günstigen Falle Künstlerinnen und Künstler die Spezialisten sein, die vorsichtig jene fragilen kulturellen Botschaften transportieren, die zerbrechen würden, wenn wir sie in die grobschlächtigen "Transportkisten" unseres Informations- und Wirtschaftssystems packen.

Unser Ethnologisches und Kunsthistorisches Instrumentarium war und ist vielleicht noch nicht fähig, den Afrikanern zu nützen. Hier müssen neue Begegnungsebenen entwickelt werden.

Ein kleines "Museum im Busch" kann das vielleicht auf eine ganz praktische Weise, indem die Künstler lernen, dass es nicht immer um die gleichen kulturellen Hierarchien gehen muss und dass an einem Ort in Namibia selbst andere Töne angeschlagen werden als die des Knock-out-Wettbewerbes.

Holger Bunk, Stuttgart, Mai 2000
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